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Streit um World Press Photo Award - Bildbearbeitung bei Pressefotos


MTL

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In der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 17.05.2013, Seite 22 ist heute ein ganz interessanter Artikel von Henning Steier über den Streit um das beste Bild des Jahres:

 

World Press Photo Foundation weist Manipulationsvorwürfe zurück

 

Das Siegerbild des World Press Photo Award ist laut den Organisatoren nicht über das normale Mass hinaus manipuliert worden. Die Diskussion über das Bearbeiten von Pressebildern dürfte trotzdem nicht beendet sein.

 

Die World Press Photo Foundation hat die von diversen Medien erhobene Vorwürfe, die Pressefoto des Jahres des schwedischen Fotografen Paul Hansen sei allzu stark manipuliert worden, zurückgewiesen: «Wir haben die Rohdaten-(RAW-) als auch die JPG-Version der Foto analysiert. Es ist eindeutig, dass Farben und Farbton retuschiert wurden. Darüber hinaus fanden wir aber keine Hinweise auf eine signifikante Fotomanipulation oder Neuzusammensetzung.»

 

Die Stellungnahme der Organisation stützt sich auf Gutachten dreier Experten. Zuvor hatte der Datenforensik-Experte Neal Kravetz behauptet, Paul Hansen habe das im Februar erkorene Siegerbild aus diversen Fotos komponiert. Die von der World Press Photo Foundation hinzugezogenen Gutachter wiesen allerdings darauf hin, es sei nicht möglich, anhand der vom Bildbearbeitungsprogramm Adobe Photoshop erstellten XMP-Dateien Bearbeitungsschritte nachzuvollziehen.

 

Paul Hansen sagte in einem Interview, das Bild sei nicht aus mehreren Fotos zusammengesetzt worden und somit keine Fälschung. Auf die Frage, wie es bearbeitet worden sei, sagte der Fotograf: «Ich habe das Licht nachträglich verändert, mit unterschiedlichen Lichtstärken entwickelt und danach die Bilder übereinandergeblendet.»

 

So kommt es, dass im Siegerbild wohl die Gesichter der Männer heller und die Gebäude dunkler sind als im Original, wodurch der dramatische Effekt der Foto gesteigert wird. Die RAW-Datei des Bildes hat Hansen der Öffentlichkeit bisher nicht zur Verfügung gestellt.

 

Neal Kravetz nennt das Vorgehen Hansens, der das Bild für die schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» schoss, weiterhin «Composing», also Zusammensetzen mehrerer Bilder. Fakt ist allerdings, dass nur Daten genutzt wurden, die im Originalbild gespeichert sind. Die Regeln der World Press Photo Foundation erlauben Retusche im Rahmen der branchenüblichen Standards. Diese Formulierung lässt allerdings einigen Interpretationsspielraum, wie die Kontroverse um das Siegerbild zeigt.

 

Davon abgesehen, stellt sich die Frage, ob das nach israelischen Raketenangriffen im vergangenen November geschossene Bild zweier toter Kinder und eines Trauerzugs im Gaza-Streifen nicht auch ohne Bearbeitung ausdrucksstark genug gewesen wäre. In jedem Fall dürfte die seit längerem anhaltende Diskussion, wie stark Pressefotos bearbeitet werden können, ohne die Wirklichkeit zu verfälschen, weitergehen.

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Davon abgesehen, stellt sich die Frage, ob das nach israelischen Raketenangriffen im vergangenen November geschossene Bild zweier toter Kinder und eines Trauerzugs im Gaza-Streifen nicht auch ohne Bearbeitung ausdrucksstark genug gewesen wäre. In jedem Fall dürfte die seit längerem anhaltende Diskussion, wie stark Pressefotos bearbeitet werden können, ohne die Wirklichkeit zu verfälschen, weitergehen.

Eine weniger stark bearbeitete Version dieses Bildes hatte Dagens Nyheter am Tag nach der Aufnahme, also am 21. November 2012 veröffentlicht. Hätte Neal Krawetz dieses Bild gekannt (und das kannte eigentlich jeder, der sich ernsthaft mit dieser Diskussion beschäftigt hatte), dann hätte er gewusst, dass seine Behauptung, Hansen hätte das Siegerfoto erst im Januar 2013 aus drei unterschiedlichen Aufnahmen in Photoshop montiert, Quatsch war. Er hätte sich auch seine ganze digitale Forensik sparen können, denn das, was dabei herauskam, wurde schon augenfällig, wenn man nur einmal die beiden Versionen nebeneinander betrachtete: worldpress2013 | Flickr - Photo Sharing!. Da hat sich ein Experte (promoviert sogar) allzu weit aus dem Fenster gelehnt und ist abgestürzt.

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Gast Deliberation

mjh, die Diskussion ist doch aber eher eine Grundsätzliche und keine über einen Einzelfall.

 

Interessant ist es schon, darüber zu diskutieren, wie stark ein Foto bearbeitet werden darf, das der informationellen Versorgung der Bevölkerung und damit in unseren Kreisen als Basis für demokratische Partizipation dient. Dass ein Foto nicht frei von Interpretationen sein kann, sollte jedoch jedem klar sein. Einerseits generiert der Blick des Fotografen einen bestimmten, subjektiven Eindruck. Andererseits ist jedes entwickelte Foto, egal ob analog oder digital, eine Veränderung der Wirklichkeit. Dennoch sollte man IMHO die Flinte nicht ins Korn werfen. Denn es muss klar ein Zeichen gesetzt werden, dass nicht alles erlaubt ist, was methodisch oder technisch möglich ist. Denn wie Fotos als Legitimation für demokratische Entscheidungen dienen und wie das sprichwörtlich nach hinten losgehen kann, haben wir ja nicht nur im Vorfeld des Krieges Irak II gesehen.

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mjh, die Diskussion ist doch aber eher eine Grundsätzliche und keine über einen Einzelfall.

In der Diskussion, die in den letzten paar Tagen tobte, ging es schon um einen Einzelfall. Da wurde ein renommierter Fotograf der Fälschung bezichtigt und es wurde suggeriert, es sei nur eine Frage der Zeit, bis er seinen Preis zurückgeben müsse. Diese Vorwürfe haben sich innerhalb weniger Stunden in Luft aufgelöst. Das war ein Fall übler Nachrede – in den meisten Ländern ein Straftatbestand. Und es hätte nicht dazu kommen müssen, wenn sich die dafür Verantwortlichen ein bisschen besser informiert hätten.

 

Interessant ist es schon, darüber zu diskutieren, wie stark ein Foto bearbeitet werden darf, das der informationellen Versorgung der Bevölkerung und damit in unseren Kreisen als Basis für demokratische Partizipation dient. Dass ein Foto nicht frei von Interpretationen sein kann, sollte jedoch jedem klar sein. Einerseits generiert der Blick des Fotografen einen bestimmten, subjektiven Eindruck. Andererseits ist jedes entwickelte Foto, egal ob analog oder digital, eine Veränderung der Wirklichkeit.

Das hat 1977 schon Susan Sontag gesagt, unter anderem über Dorothea Langes berühmtes Foto von 1936 – das war nicht sonderlich bearbeitet, aber die Veröffentlichung dieses einen Fotos aus einer Serie erschien Sontag schon als problematisch. Aus der Problematik, dass jedes Foto einen Ausschnitt in Zeit und Raum abbildet, der vom Fotografen bewusst und vielleicht sogar mit manipulativer Absicht gewählt worden sein kann, kommen wir nicht heraus. Fälschungen von Bildern sind dann noch einmal etwas ganz anderes.

 

Aber ich würde die Rolle von Fotos als „Basis für demokratische Partizipation“ jetzt nicht zu hoch hängen. Hansen ist für Dagens Nyheter nach Gaza gefahren und hat dort ein Foto gemacht, das am Tage darauf in einer offenbar recht straighten Bearbeitung veröffentlicht worden ist (und es gab andere Fotos dieser Szenen von anderen Fotografen, die ebenfalls zeitnah veröffentlicht worden sind). Für den Wettbewerbsbeitrag hat sich Hansen, anderthalb Monate später, dann noch einmal mehr Mühe mit der Bearbeitung gegeben. Ich schätze mal, dass das die meisten Fotografen so machen würden.

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Gast Deliberation
In der Diskussion, die in den letzten paar Tagen tobte, ging es schon um einen Einzelfall. Da wurde ein renommierter Fotograf der Fälschung bezichtigt und es wurde suggeriert, es sei nur eine Frage der Zeit, bis er seinen Preis zurückgeben müsse.

 

Da geht man einmal in den Urlaub und schon verpasst man was. Im Ernst, das ist wie das Getöse von Politikern, wenn sich einer der ihren bereichert. Meine Standardrückfrage wäre dann jeweils: in wie vielen Aufsichtsräten sitzen Sie denn, neben ihrem Vollzeitjob als Politiker?

 

dass jedes Foto einen Ausschnitt in Zeit und Raum abbildet, der vom Fotografen bewusst und vielleicht sogar mit manipulativer Absicht gewählt worden sein kann, kommen wir nicht heraus. Fälschungen von Bildern sind dann noch einmal etwas ganz anderes.

 

Puh, das wird dann aber eine schwierige Entscheidung, wo die Grenze zwischen Kunst, Handwerk, natürliche Subjektivität und (bewusste?) Fälschung ist.

 

Aber ich würde die Rolle von Fotos als „Basis für demokratische Partizipation“ jetzt nicht zu hoch hängen.

 

Ich sage es mal sinngemäß mit einem Zitat aus einem aktuellen Blockbuster: "The more you think you see, the easier it'll be to fool you."

 

Persönlich stimme ich Dir zu und ich wünschte, meine Mitbürger würden mehr lesen. Fakt ist jedoch, dass Menschen einem Bild mehr trauen als Worten, obwohl beides eine Lüge sein kann. Auch sagt man, ein Bild sage mehr als tausend Worte. Das Problem ist nur: verfolgt der Ersteller des Bildes eine bestimmte Wirkungsabsicht? Wie ist die subjektive Wahrnehmung? Wie ist der Kontext der Emotionalität? Wahlentscheidungen, auch politische, sind bereits zunehmend emotionale Entscheidungen. Wie besser könnte man diese Emotionalität besser fördern, als durch eindrucksvolle Bilder?

 

Ich gebe Dir recht, ein passionierter Fotograf wird sich sicher bei einem Wettbewerb von seiner besten Seite zeigen wollen. Wenn es um Gaza geht, ist man aber auch schnell in einer moralischen Verantwortung, dass das was man zeigt realpolitische Folgen haben könnte (und damit ist nicht Realität, sondern Kampfhandlungen gemeint).

 

In diesem Fall finde ich es noch nicht so drastisch, als dass man davon ausgehen könnte, die Veränderung manipuliere die Öffentlichkeit. Gerenderte Szenen aus Computerspielen in Nachrichten zeigen aber schon, welche Manipulation bereits heute mit Bildern betrieben wird. Ganz wie im Film "Wag the Dog".

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Gast chironer
... Ich schätze mal, dass das die meisten Fotografen so machen würden.

 

Selbst wenn es die meisten so machen würden, sei die Frage erlaubt, ob bei einem Foto dieser Szene, einem Trauerzug, eine zusätzliche Dramatisierung nicht das Maß der Dinge übersteigt.

Wenn das ein Foto von einem britischen Windhundrennen wär...

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Die Bearbeitung von Fotos zu verbieten kann nicht der Realität entsprechen. Jeder, der sich mit dem Thema auseinander setzt, kann das bestätigen. Wo fängt die Bearbeitung an (z.B. in der Kamera) und wo hört diese auf (unentwickelte RAW-Dateien)? Wichtig ist doch, dass keine Elemente verändert werden (perspektivisch oder einmontiert).

Sonst dürfen ja auch keine SW-Bilder zugelassen werden, die Realität ist nun mal nicht schwarzweiss....

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