Gast digineuling Geschrieben 30. November 2015 Share #1 Geschrieben 30. November 2015 Werbung (verschwindet nach Registrierung) Tag allerseits, Vorsicht – wer sich auf diesen Beitrag einlässt, braucht ein wenig Zeit zum Lesen. Schuld ist eigentlich Soleil, mit ihrer mongolischen Pferdekopfgeige. https://www.fuji-x-forum.de/topic/16577-schwarzweiss-bw-jekami/page-334?do=findComment&comment=484226 Beim Nachlesen auf Wikipedia stolperte ich über „Wind“ und „Steppe“, auch über Soldatenliebe, jedenfalls fiel mir „Dshamilja“ ein, eine kleine Novelle des Kirgisen (nicht Mongolen) Tschingis Aitmatov. Louis Aragon schrieb einmal begeistert darüber, dies sei „die schönste Liebesgeschichte der Welt“. Das ist sie natürlich nicht, aber der Verlag (damals Suhrkamp, jedenfalls in der BRD) schrieb es aufs Streifband (sowas gab’s damals noch). Jung Kläuschen, gerade sechzehn oder siebzehn, las das und dachte: „Das wollen wir doch mal sehen“. Anschließend war er mit Aragon einer Meinung, hauptsächlich, weil er gerade eine ähnlich stille und (zumindest aus seiner Sicht) ähnlich dramatische Liebesgeschichte durchlebte. Die letzte sollte es nicht gewesen sein, auch nicht die letzte, die er lesend miterlebte; aber „Dshamilja“ war halt bei ihm auf fruchtbaren Boden gefallen – der Grund, warum ich mich heute, altgeworden, immer noch daran erinnere. Jedenfalls kam ich über die Kombination von „Dshamilja“ und „Pferdekopfgeige“ dazu, darüber nachzudenken, was Photos auslösen können und was weiterwirkt, so sie denn wirklich auf fruchtbaren Boden fallen, und habe überlegt, was denn nun so hängengeblieben ist aus diesem Forum, in diesem Jahr, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, geschweige denn auf allgemeine Geltung – was weiß denn ich, wer Euern Boden bereitet hat und womit Ihr ihn düngt? Aber Riesis Photo kommt der Allgemeingültigkeit recht nah. Das kennen viele von uns, hoffe ich. Müde, erschöpft in Licht und Wasser und Watt, eins mit sich und den Menschen nahebei, ohne irgendetwas in Frage stellen zu müssen – Zufriedenheit, Freundschaft, pures Glück. Nicht Kinderglück, sondern Glück, umfassend und echt. https://www.fuji-x-forum.de/topic/21780-couples/page-12?do=findComment&comment=467840 Soleils „Père“ weist in eine ähnliche Richtung. Hier geht es um Geborgenheit, Zutrauen, Vertrauen, um Aufgehobensein, Zuversicht und Liebe - aber in beide Richtungen. Ich spüre heute noch die Hände unserer Kinder in meiner, den Arm unseres Jüngsten um den Hals. Die Kinder, fünf sind es dann geworden, sind groß. Zwei davon, die jetzt selber Kinder haben, erleben das jetzt aus der Elternperspektive, und es macht Spaß, dabei zuzusehen. Ohnehin lebt mit den Enkeln unglaublich viel wieder auf. https://www.fuji-x-forum.de/topic/16577-schwarzweiss-bw-jekami/page-311?do=findComment&comment=466746 Wenden wir den Blick in andere Richtungen, von den Enkeln zum Vater. Meiner war zeitlebens ein begeisterter Zirkusgänger (ohne das je zugegeben zu haben), und haderte mit jedem Nachkommen, der seine Interessen („Dafür bin ich jetzt zu groß“) in andere Richtungen verlegte. Eine seiner letzten großen Freuden, bevor der gottverdammte Krebs ihn endgültig im Griff hatte (nicht, dass er sich nicht gewehrt hätte: He did „not go gentle into that good night“ - Pontati, by the way, falls Du das liest: Dank für die Erinnerung an Dylan Thomas.) Eine der letzten großen Freuden Vaters war also war ein Zirkusbesuch … … Graufilter hat sein Zirkusbild versehentlich im Freitags-Bokeh-Thread versenkt und schmollt immer noch ein wenig, dass es da keiner bemerkt hat. Ich liebe dieses Photo. https://www.fuji-x-forum.de/topic/16229-fuji-x-bokeh-freitag/?p=478467 Bildwerks „Mondbild“ ist auch eines der wenigen Bilder – tatsächlich werden es am Ende vier sein - in dieser Reihung, die keine Menschen zeigen, aber es vereinigt … was denn eigentlich? Landschafts- und Naturphotographie? Tut es und tut es nicht in einer selten gesehenen Weise. Bildelemente werden äußerst sparsam und deshalb wirkungsvoll eingesetzt. Wenn „Street“ Straße ist, dann ist das hier Landstraße. Und wenn hier jetzt jemand fragt, wo er denn sei, der Mensch, bei dem ganzen? Tretet zwei Meter zurück, da steht er, heißt entweder Bildwerk oder wie Ihr, schaut und staunt und versucht zu begreifen. Dies Bild strahlt eine derartig träumerische und schon fast heilsame Ruhe aus, auf die Harlem in seinem Favoriten-Thread schon hingewiesen hat – und wegen dieser Ruhe, nicht unbedingt wegen der Textentsprechung, möchte man es mit Schumanns Mondnacht unterlegen – dachte ich bis hierhin. https://www.fuji-x-forum.de/topic/19506-blaue-stunde-jekami/page-20?do=findComment&comment=474545 Mit Bildwerks Bildtitel: „Heute Abend bei uns auf dem Bullerberg“ war ich ja noch einverstanden. Jo, dachte ich, passt. Bullerberg haben wir bei uns auch, aber ohne Acker – nur Häuser. Das ist halt das Schicksal des platten Landes: Irgendwann ist alles Vorstadt. Aber Bildwerks Bildkommentar hat dann alles rausgerissen: „Heute Abend bei uns auf dem Lande: Mond, Misthaufen und Miststreuer“, und ich bin sowas von böse ins Prusten gekommen … Nicht wegen des Photos, sondern wegen der Bodenbereitung und des Düngens, von denen ich weiter oben geschrieben habe, auch vom „Staunen“ des Photographen wie Betrachters, und der „heilsamen“ Ruhe. Schumanns Eichendorff-Text hatte ich glücklicherweise ja schon ausgeschlossen. („Es war, als hätt‘ der Himmel die Erde still geküsst …“) Auch wenn Photos keine olfaktorischen Eindrücke übertragen können – wachrufen können sie diese schon, und ich komme vom Lande. Man sollte sich Photos, zu denen man sich äußert, doch möglichst genau anschauen … Und im Hinterkopf bleibt immer noch der Gedanke, wie Marunde das wohl umgesetzt hätte, möglicherweise mit Photographen … Danach hab‘ ich es ausprobiert. Nicht Marunde, sondern Adventskerze an, Photo auf den Bildschirm, Schumann drunter. Was soll ich sagen. Es funktioniert, mindestens unter zuhilfenahme eines doppelten Whiskeys. Und deshalb bleibt der Text so stehen. Weniger träumerisch, aber ähnlich heilsam ist das wunderbar gesehene, perfekt umgesetzte und (ich hab’s schon einmal irgendwo geschrieben) zum Heulen schöne Glottertal-Photo von (s)printen. Hier bringt die Infrarot-Verfremdung oft Gesehenes wieder nahe nahe, aber das allein ist es nicht - Linienführung und Gewichtung der Bildteile, die ganze hinreißende Komposition ist sind einzig und allein Verdienst des Lichtbildners. (Bitte nach Möglichkeit vor schwarzem Hintergrund wirken lassen.) https://www.fuji-x-forum.de/topic/17851-weite-landschaft-jekami/?p=436413 Eine solche Zusammenstellung ohne Portraits? Ich würde gern gleich zwei davon hier nebeneinanderstellen, aus technischen Gründen bringe ich sie hintereinander – in der Hoffnung, wenigstens das zu schaffen. Eins stammt von Soleil, aus dem Street-Thread, in den es eher nicht gehört; das andere von Giorgio Torelli, dessen Sinn für Farben sich offensichtlich nicht nur auf seine Landschaften erstreckt. Giorgios Photo ist also farbig, das andere schwarzweiß, aber beiden gemein ist die Kraft und das Selbstbewusstsein, das die Portraitierten ausstrahlen. Im einen Fall ist es ein wenig unterstützt von südlicher Sonne (von hier aus gesehen ist fast alles südlich), im anderen ist es eine faszinierend selbstbewusste muntere Wachheit, fast Frechheit, die vermittelt wird. Erinnert der eine an Rainald Grebe, so tut es der andere an den jungen Alain Delon – dessen Pendant hier wohl auf jemanden getroffen ist, der in der Lage ist, zu zeigen, was er sieht. https://www.fuji-x-forum.de/topic/12996-streetfotografie/?p=474036 https://www.fuji-x-forum.de/uploads/monthly_10_2015/post-9427-0-68465700-1443903184.jpg Weg von Delon, zurück in die Gegenwart und zu wiederum zwei Bildern mit deutlich aktuelleren Bezügen, Konnotationen etwa zum Flüchtlingshema, andererseits zu den Terrorereignissen der letzten Wochen, gesehen durch die Objektive von Soleil und Desesseintes. Soleils „Linien“ und Desesseintes „La vie vs. la mort“ (Sollte sich jetzt jemand beschweren, Soleil sei hier überrepräsentiert, dann mag er oder sie einmal nachzählen, wie vielen Menschen er durch Elkes Tätigkeit in diesem Forum schon begegnet ist.) Außerdem passen die beiden Photos zusammen. In beiden Fällen werden Kind oder Kinder in Bezug gesetzt zu der Welt, die ihnen Erwachsene vorgesetzt haben. Ich sage jetzt also zu Soleils Photo, was ich seinerzeit schon gesagt habe: Es ist schlichtweg perfekt. Und ich meine damit den Blick für Motiv und Proportion, das Gefühl für die Szene, das schnelle und sichere Auge - und nicht irgendwelche Aus- oder Nachbearbeitungsfähigkeiten, deren Vorhandensein und Qualität ich meist mangels Kenntnis nicht beurteilen kann oder will. https://www.fuji-x-forum.de/index.php?app=core&module=attach§ion=attach&attach_rel_module=post&attach_id=103923 „Das Leben wider den Tod“ – wenig ist es nicht, was Desesseintes hier in seinem Bildtitel umreißt, eigentlich alles zwischen Geburt und Ende. Das halbe Abendland bietet er auf in seinem Friedhofshügel im Hintergrund. Hier finden sich die Gräber von Politikern und Generälen, von Malern und Bildhauern, von Musikern und Schriftstellern, von Philosophen und Filmregisseuren; auch die Photographin Gerda Taro liegt hier. Nicht bekannt? Capa kennt jeder, aber … (einfach mal nachschlagen). Die Kleine links wird es tragen, das Gewicht der Vorangegangenen, das Gewicht ihrer Welt. Die Gouvernanten (Eltern, Erzieher, Patentanten, Zufallspassanten, völlig egal) haben sich dem Friedhofshügel schon viel zu weit genähert, als dass sie noch eine entscheidende Rolle spielen könnten. Das Mädchen aber stürmt in voller jugendlicher Kraft seinem eigenen Wege nach; der linke Arm, die linke Hand lassen Fackel oder Fahne fast schon ahnen. Die Assoziation liegt nahe. Auch Delacroix liegt auf dem Cimetière du Père-Lachaise. Ziemlich sicher für mich das Bild des Jahres. (Ja, photona, ich weiß, noch haben wir November.) https://www.flickr.com/photos/102405319@N08/22403844257/# Zu den jüngeren Photos: Starlings #1 von Baron Samedi – Chaos des Auffliegens ist gemündet in gemeinsame Richtung, Individuum und Gruppe in eins gesetzt in schwirrendem Flug. Alles reduziert auf Weiß und Schwarz. Und sogar das Schwarz wird lichtdurchlässig. https://www.fuji-x-forum.de/topic/12981-kommt-ein-vogel-geflogen/?do=findComment&comment=475677 Schließlich ist da noch ein kleines Wunder – irritierend, Licht und Linien, alle Farben der Welt zwischen Schwarz und Weiß, ein Vexierbild sondergleichen, vielleicht ein wenig unkritisch – mal schauen, wie weit das trägt: Klawebs „Hochglanz-Welt“. https://www.fuji-x-forum.de/topic/16577-schwarzweiss-bw-jekami/page-334?do=findComment&comment=484006 Und abwarten, was noch kommt, über diesen kleinen Überblick hinaus – den Blick auf dieses Forum und das, was es trotz Eitelkeiten, Zänker- und Stänkereien, trotz mancherlei Missverständnissen jedem hier zu bieten hat – und natürlich danke ich dafür. Nicht nur für das hier Erwähnte, sondern für das ganze Programm. Gruß, Klaus Edit: Einmal Quatsch und einen Sachfehler gestrichen. Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Anzeige Geschrieben 30. November 2015 Geschrieben 30. November 2015 Hallo Gast digineuling, schau mal hier Pferdegeige, Bodendüngung und ein Bild des Jahres . Dort wird jeder fündig!
Soleil Geschrieben 30. November 2015 Share #2 Geschrieben 30. November 2015 Mondnacht Es war, als hätt' der Himmel die Erde still geküsst,dass sie im Blütenschimmervon ihm nun träumen müsst'. Die Luft ging durch die Felder,die Ähren wogten sacht,es rauschten leis' die Wälder,so sternklar war die Nacht.Und meine Seele spannteweit ihre Flügel aus,flog durch die stillen Lande,als flöge sie nach Haus. ( Joseph von Eichendorff ) Sehr schön, Klaus! Ich danke Dir! Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
zwanzignullzwei Geschrieben 1. Dezember 2015 Share #3 Geschrieben 1. Dezember 2015 Hallo Klaus, danke für diesen persönlichen und schönen Beitrag. Ja, auch in einem Fotoforum tut es gut zusammenhängende und mit Bedacht formulierte Sätze zu lesen. Herzliche Grüße, Richard Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
musicus Geschrieben 1. Dezember 2015 Share #4 Geschrieben 1. Dezember 2015 Tag allerseits, Vorsicht – wer sich auf diesen Beitrag einlässt, braucht ein wenig Zeit zum Lesen. Schuld ist eigentlich Soleil, mit ihrer mongolischen Pferdekopfgeige. https://www.fuji-x-forum.de/topic/16577-schwarzweiss-bw-jekami/page-334?do=findComment&comment=484226 Beim Nachlesen auf Wikipedia stolperte ich über „Wind“ und „Steppe“, auch über Soldatenliebe, jedenfalls fiel mir „Dshamilja“ ein, eine kleine Novelle des Kirgisen (nicht Mongolen) Tschingis Aitmatov. Louis Aragon schrieb einmal begeistert darüber, dies sei „die schönste Liebesgeschichte der Welt“. Das ist sie natürlich nicht, aber der Verlag (damals Suhrkamp, jedenfalls in der BRD) schrieb es aufs Streifband (sowas gab’s damals noch). Jung Kläuschen, gerade sechzehn oder siebzehn, las das und dachte: „Das wollen wir doch mal sehen“. Anschließend war er mit Aragon einer Meinung, hauptsächlich, weil er gerade eine ähnlich stille und (zumindest aus seiner Sicht) ähnlich dramatische Liebesgeschichte durchlebte. Die letzte sollte es nicht gewesen sein, auch nicht die letzte, die er lesend miterlebte; aber „Dshamilja“ war halt bei ihm auf fruchtbaren Boden gefallen – der Grund, warum ich mich heute, altgeworden, immer noch daran erinnere. Jedenfalls kam ich über die Kombination von „Dshamilja“ und „Pferdekopfgeige“ dazu, darüber nachzudenken, was Photos auslösen können und was weiterwirkt, so sie denn wirklich auf fruchtbaren Boden fallen, und habe überlegt, was denn nun so hängengeblieben ist aus diesem Forum, in diesem Jahr, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, geschweige denn auf allgemeine Geltung – was weiß denn ich, wer Euern Boden bereitet hat und womit Ihr ihn düngt? Aber Riesis Photo kommt der Allgemeingültigkeit recht nah. Das kennen viele von uns, hoffe ich. Müde, erschöpft in Licht und Wasser und Watt, eins mit sich und den Menschen nahebei, ohne irgendetwas in Frage stellen zu müssen – Zufriedenheit, Freundschaft, pures Glück. Nicht Kinderglück, sondern Glück, umfassend und echt. https://www.fuji-x-forum.de/topic/21780-couples/page-12?do=findComment&comment=467840 Soleils „Père“ weist in eine ähnliche Richtung. Hier geht es um Geborgenheit, Zutrauen, Vertrauen, um Aufgehobensein, Zuversicht und Liebe - aber in beide Richtungen. Ich spüre heute noch die Hände unserer Kinder in meiner, den Arm unseres Jüngsten um den Hals. Die Kinder, fünf sind es dann geworden, sind groß. Zwei davon, die jetzt selber Kinder haben, erleben das jetzt aus der Elternperspektive, und es macht Spaß, dabei zuzusehen. Ohnehin lebt mit den Enkeln unglaublich viel wieder auf. https://www.fuji-x-forum.de/topic/16577-schwarzweiss-bw-jekami/page-311?do=findComment&comment=466746 Wenden wir den Blick in andere Richtungen, von den Enkeln zum Vater. Meiner war zeitlebens ein begeisterter Zirkusgänger (ohne das je zugegeben zu haben), und haderte mit jedem Nachkommen, der seine Interessen („Dafür bin ich jetzt zu groß“) in andere Richtungen verlegte. Eine seiner letzten großen Freuden, bevor der gottverdammte Krebs ihn endgültig im Griff hatte (nicht, dass er sich nicht gewehrt hätte: He did „not go gentle into that good night“ - Pontati, by the way, falls Du das liest: Dank für die Erinnerung an Dylan Thomas.) Eine der letzten großen Freuden Vaters war also war ein Zirkusbesuch … … Graufilter hat sein Zirkusbild versehentlich im Freitags-Bokeh-Thread versenkt und schmollt immer noch ein wenig, dass es da keiner bemerkt hat. Ich liebe dieses Photo. https://www.fuji-x-forum.de/topic/16229-fuji-x-bokeh-freitag/?p=478467 Bildwerks „Mondbild“ ist auch eines der wenigen Bilder – tatsächlich werden es am Ende vier sein - in dieser Reihung, die keine Menschen zeigen, aber es vereinigt … was denn eigentlich? Landschafts- und Naturphotographie? Tut es und tut es nicht in einer selten gesehenen Weise. Bildelemente werden äußerst sparsam und deshalb wirkungsvoll eingesetzt. Wenn „Street“ Straße ist, dann ist das hier Landstraße. Und wenn hier jetzt jemand fragt, wo er denn sei, der Mensch, bei dem ganzen? Tretet zwei Meter zurück, da steht er, heißt entweder Bildwerk oder wie Ihr, schaut und staunt und versucht zu begreifen. Dies Bild strahlt eine derartig träumerische und schon fast heilsame Ruhe aus, auf die Harlem in seinem Favoriten-Thread schon hingewiesen hat – und wegen dieser Ruhe, nicht unbedingt wegen der Textentsprechung, möchte man es mit Schumanns Mondnacht unterlegen – dachte ich bis hierhin. https://www.fuji-x-forum.de/topic/19506-blaue-stunde-jekami/page-20?do=findComment&comment=474545 Mit Bildwerks Bildtitel: „Heute Abend bei uns auf dem Bullerberg“ war ich ja noch einverstanden. Jo, dachte ich, passt. Bullerberg haben wir bei uns auch, aber ohne Acker – nur Häuser. Das ist halt das Schicksal des platten Landes: Irgendwann ist alles Vorstadt. Aber Bildwerks Bildkommentar hat dann alles rausgerissen: „Heute Abend bei uns auf dem Lande: Mond, Misthaufen und Miststreuer“, und ich bin sowas von böse ins Prusten gekommen … Nicht wegen des Photos, sondern wegen der Bodenbereitung und des Düngens, von denen ich weiter oben geschrieben habe, auch vom „Staunen“ des Photographen wie Betrachters, und der „heilsamen“ Ruhe. Schumanns Eichendorff-Text hatte ich glücklicherweise ja schon ausgeschlossen. („Es war, als hätt‘ der Himmel die Erde still geküsst …“) Auch wenn Photos keine olfaktorischen Eindrücke übertragen können – wachrufen können sie diese schon, und ich komme vom Lande. Man sollte sich Photos, zu denen man sich äußert, doch möglichst genau anschauen … Und im Hinterkopf bleibt immer noch der Gedanke, wie Marunde das wohl umgesetzt hätte, möglicherweise mit Photographen … Danach hab‘ ich es ausprobiert. Nicht Marunde, sondern Adventskerze an, Photo auf den Bildschirm, Schumann drunter. Was soll ich sagen. Es funktioniert, mindestens unter zuhilfenahme eines doppelten Whiskeys. Und deshalb bleibt der Text so stehen. Weniger träumerisch, aber ähnlich heilsam ist das wunderbar gesehene, perfekt umgesetzte und (ich hab’s schon einmal irgendwo geschrieben) zum Heulen schöne Glottertal-Photo von (s)printen. Hier bringt die Infrarot-Verfremdung oft Gesehenes wieder nahe nahe, aber das allein ist es nicht - Linienführung und Gewichtung der Bildteile, die ganze hinreißende Komposition ist sind einzig und allein Verdienst des Lichtbildners. (Bitte nach Möglichkeit vor schwarzem Hintergrund wirken lassen.) https://www.fuji-x-forum.de/topic/17851-weite-landschaft-jekami/?p=436413 Eine solche Zusammenstellung ohne Portraits? Ich würde gern gleich zwei davon hier nebeneinanderstellen, aus technischen Gründen bringe ich sie hintereinander – in der Hoffnung, wenigstens das zu schaffen. Eins stammt von Soleil, aus dem Street-Thread, in den es eher nicht gehört; das andere von Giorgio Torelli, dessen Sinn für Farben sich offensichtlich nicht nur auf seine Landschaften erstreckt. Giorgios Photo ist also farbig, das andere schwarzweiß, aber beiden gemein ist die Kraft und das Selbstbewusstsein, das die Portraitierten ausstrahlen. Im einen Fall ist es ein wenig unterstützt von südlicher Sonne (von hier aus gesehen ist fast alles südlich), im anderen ist es eine faszinierend selbstbewusste muntere Wachheit, fast Frechheit, die vermittelt wird. Erinnert der eine an Rainald Grebe, so tut es der andere an den jungen Alain Delon – dessen Pendant hier wohl auf jemanden getroffen ist, der in der Lage ist, zu zeigen, was er sieht. https://www.fuji-x-forum.de/topic/12996-streetfotografie/?p=474036 https://www.fuji-x-forum.de/uploads/monthly_10_2015/post-9427-0-68465700-1443903184.jpg Weg von Delon, zurück in die Gegenwart und zu wiederum zwei Bildern mit deutlich aktuelleren Bezügen, Konnotationen etwa zum Flüchtlingshema, andererseits zu den Terrorereignissen der letzten Wochen, gesehen durch die Objektive von Soleil und Desesseintes. Soleils „Linien“ und Desesseintes „La vie vs. la mort“ (Sollte sich jetzt jemand beschweren, Soleil sei hier überrepräsentiert, dann mag er oder sie einmal nachzählen, wie vielen Menschen er durch Elkes Tätigkeit in diesem Forum schon begegnet ist.) Außerdem passen die beiden Photos zusammen. In beiden Fällen werden Kind oder Kinder in Bezug gesetzt zu der Welt, die ihnen Erwachsene vorgesetzt haben. Ich sage jetzt also zu Soleils Photo, was ich seinerzeit schon gesagt habe: Es ist schlichtweg perfekt. Und ich meine damit den Blick für Motiv und Proportion, das Gefühl für die Szene, das schnelle und sichere Auge - und nicht irgendwelche Aus- oder Nachbearbeitungsfähigkeiten, deren Vorhandensein und Qualität ich meist mangels Kenntnis nicht beurteilen kann oder will. https://www.fuji-x-forum.de/index.php?app=core&module=attach§ion=attach&attach_rel_module=post&attach_id=103923 „Das Leben wider den Tod“ – wenig ist es nicht, was Desesseintes hier in seinem Bildtitel umreißt, eigentlich alles zwischen Geburt und Ende. Das halbe Abendland bietet er auf in seinem Friedhofshügel im Hintergrund. Hier finden sich die Gräber von Politikern und Generälen, von Malern und Bildhauern, von Musikern und Schriftstellern, von Philosophen und Filmregisseuren; auch die Photographin Gerda Taro liegt hier. Nicht bekannt? Capa kennt jeder, aber … (einfach mal nachschlagen). Die Kleine links wird es tragen, das Gewicht der Vorangegangenen, das Gewicht ihrer Welt. Die Gouvernanten (Eltern, Erzieher, Patentanten, Zufallspassanten, völlig egal) haben sich dem Friedhofshügel schon viel zu weit genähert, als dass sie noch eine entscheidende Rolle spielen könnten. Das Mädchen aber stürmt in voller jugendlicher Kraft seinem eigenen Wege nach; der linke Arm, die linke Hand lassen Fackel oder Fahne fast schon ahnen. Die Assoziation liegt nahe. Auch Delacroix liegt auf dem Cimetière du Père-Lachaise. Ziemlich sicher für mich das Bild des Jahres. (Ja, photona, ich weiß, noch haben wir November.) https://www.flickr.com/photos/102405319@N08/22403844257/# Zu den jüngeren Photos: Starlings #1 von Baron Samedi – Chaos des Auffliegens ist gemündet in gemeinsame Richtung, Individuum und Gruppe in eins gesetzt in schwirrendem Flug. Alles reduziert auf Weiß und Schwarz. Und sogar das Schwarz wird lichtdurchlässig. https://www.fuji-x-forum.de/topic/12981-kommt-ein-vogel-geflogen/?do=findComment&comment=475677 Schließlich ist da noch ein kleines Wunder – irritierend, Licht und Linien, alle Farben der Welt zwischen Schwarz und Weiß, ein Vexierbild sondergleichen, vielleicht ein wenig unkritisch – mal schauen, wie weit das trägt: Klawebs „Hochglanz-Welt“. https://www.fuji-x-forum.de/topic/16577-schwarzweiss-bw-jekami/page-334?do=findComment&comment=484006 Und abwarten, was noch kommt, über diesen kleinen Überblick hinaus – den Blick auf dieses Forum und das, was es trotz Eitelkeiten, Zänker- und Stänkereien, trotz mancherlei Missverständnissen jedem hier zu bieten hat – und natürlich danke ich dafür. Nicht nur für das hier Erwähnte, sondern für das ganze Programm. Gruß, Klaus Edit: Einmal Quatsch und einen Sachfehler gestrichen. Danke für den sehr persönlichen und nachdenklichen Beitrag - welche Emotionen und Gedanken können Bilder auslösen. Grüße Hans Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gast digineuling Geschrieben 1. Dezember 2015 Share #5 Geschrieben 1. Dezember 2015 Hallo Klaus, danke für diesen persönlichen und schönen Beitrag. Ja, auch in einem Fotoforum tut es gut zusammenhängende und mit Bedacht formulierte Sätze zu lesen. Herzliche Grüße, Richard Tag, Richard, da gebe ich Dir gern recht, und ich bemühe mich ja auch darum - aber man kann auch zusammenhängend ins Schwafeln kommen, und dazu neige ich nun einmal. Na, jedenfalls stehe ich auch dazu. Gruß Klaus Edit nach einer Minute ist kein Edit Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Soleil Geschrieben 1. Dezember 2015 Share #6 Geschrieben 1. Dezember 2015 Ich wollte gerne noch etwas nachliefern zu dem schönen Gedicht "Mondnacht" von Eichendorff. Vielleicht gibt es findigere Menschen, ich habe jetzt nur diese Aufnahme von Schumanns Mondnacht für den öffentlichen Gebrauch gefunden, die ich annähernd adäquat finde . Bitte die Augen schließen und einfach nur hören! ( ansonsten auch mal Christian Gerhaher anhören ... ) ich wünsche eine angenehme Nachtruhe! Elke Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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