Gast Geschrieben 2. September 2017 Share #1 Geschrieben 2. September 2017 Werbung (verschwindet nach Registrierung) Anlässlich des 100. Geburtstags von Heinrich Böll befragt das Museum Ludwig in seinen neuen Fotoräumen Bölls Verhältnis zur Fotografie und dem Fotografieren – als Person des öffentlichen Lebens, als Gegenstand seiner Betrachtung, als Hilfsmittel für sein literarisches Schaffen und als Motiv in seinen Schriften. http://www.museum-ludwig.de/de/ausstellungen/die-humane-kamera-heinrich-boell-und-die-fotografie.html Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Anzeige Geschrieben 2. September 2017 Geschrieben 2. September 2017 Hallo Gast, schau mal hier Ausstellung in Köln - Heinrich Böll und die Fotografie . Dort wird jeder fündig!
luci e ombre Geschrieben 2. September 2017 Share #2 Geschrieben 2. September 2017 http://www.museum-ludwig.de/de/ausstellungen/die-humane-kamera-heinrich-boell-und-die-fotografie.html Danke für den Hinweis. Zitiert von der Website www.museum-ludwig.de: "... Darin formulierte er eine Moral der Fotografie: „Wo die Kamera zudringlich wird, ihr Instrument, das Objektiv, zum Instrument […] des Photographen wird, der darauf aus ist, den Menschen zu ertappen, zu denunzieren, zu entlarven, überschreitet die Photographie ihre ästhetische und gleichzeitig ihre moralische Grenze.“ ... Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gast X-Ercist Geschrieben 2. September 2017 Share #3 Geschrieben 2. September 2017 Interessant, dieser Satz fiel mir auch sofort auf, ein Satz, der mich aufmerksam machte und den ich nicht annehmen kann. Wie oft wurde, auch hier im Forum, schon über Strassenfotografie diskutiert, besonders im Hinblick auf das was man zeigen darf und was nicht, was wohl die angesprochene moralische Grenze meint. "Denunzieren" ist ein negativ besetztes Wort, der Verrat, aber "ertappen" und "entlarven" finde ich nicht weiter schlimm. Da kommt auf der harmlosen Ebene der Humor ins Spiel, ernster wird es dann mit einem aufklärerischen Moment, man denke beispielsweise an ich sach jetzt mal Sozialreportagen oder die Politik, wo entlarven oder ertappen ja etwas moralisch Richtiges sein kann. Was meint Böll mit der ästhetischen Grenze der Fotografie? Meint er damit abgebildete Geschmacklosigkeiten, oder einfach nur schlechte Bilder? Chironer, wie legst Du das Zitat aus? Das ist ja durchaus Dein Thema. Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gast Geschrieben 2. September 2017 Share #4 Geschrieben 2. September 2017 Chironer, wie legst Du das Zitat aus? Das ist ja durchaus Dein Thema. Ja, das ist mein Thema. Da die Reputation eines H.Böll deutlich gewichtiger ist als meine, stelle ich mal lediglich den Artikel und somit das Zitat vor. Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Rica Geschrieben 2. September 2017 Share #5 Geschrieben 2. September 2017 Hier ist der Text (Link zur ZEIT) aus dem Prolog, den Böll zur Weltausstellung der Photographie 1964 für das dortige Handbuch geschrieben hat. Von Heinrich Böll Es gibt große Augenblicke der Photographie. Wenn die Kamera dem geschichtlichen Augenblick begegnet, zur Stelle ist, wenn im einzelnen Schicksal das Allgemeine zum Bild werden kann, ohne das einzelne Schicksal im Vorgang des Photographierens zu verletzen. Wo die Kamera zudringlich wird, ihr Instrument, das Objektiv, zum Instrument des Subjekts, des Photographen wird, der darauf aus ist, den Menschen zu ertappen, zu denunzieren, zu entlarven, überschreitet die Photographie ihre ästhetische und gleichzeitig ihre moralische Grenze. Wer am Schlüsselloch lauert, entdeckt natürlich den Menschen in seiner Gebrechlichkeit. Die Verwechslung von Tabu und Geheimnis ist längst selbstverständlich geworden. Im Tabu verbirgt sich Magie, im Geheimnis nicht. Religion, Liebe, Schlaf sind nicht magisch, sondern geheimnisvoll, wie das Alltägliche geheimnisvoll ist: wie Menschen miteinander essen, sich kleiden, ihr Brot verdienen. Familie, Beruf, Freundschaft. Diesen Geheimnissen kann sich die Photographie nur nähern, wenn im einzelnen Schicksal, ohne daß es verletzt wird, das Allgemeine sichtbar gemacht werden kann. Es gehört nicht viel dazu, private Geheimnisse zu erfahren und sie preiszugeben. Gewiß würde es weder großen technischen Verstand noch viel Geschicklichkeit erfordern, in einen Beichtstuhl ein Mikrophon einzubauen, an der Mitteilung von Geheimnissen teilzunehmen, diese möglicherweise über irgendeinen Sender hinauszuschicken. Der Titel der berüchtigten Fernsehsendung „Vorsicht, Kamera“ ist ja nur eine fälschlicherweise ins Scherzhafte gewendete Variation von Orwells Großem Bruder, dessen Auge und Ohr nichts entgeht. Wird derart Erfahrenes oder Erlauschtes dem hochwohllöblichen Publikum dargeboten, beweisen Film-, Photokamera und Tonband, daß sie verräterisch sind, Denunziation ihr Ziel ist. Es geht ja nicht um Wahrheit, nicht einmal um „Objektivität“, sondern um die hämische Teilnahme an des Menschen Gebrechlichkeit. Moral der Photographie? Das erscheint lächerlich, wo das „Objektiv“ am Werk ist. Die große Täuschung „objektiver Wirklichkeit“. Es entscheidet ja nicht das Objektiv, sondern das Auge des Photographen, außerdem dessen Auswahl, Chemikalien, Vergrößerung, Verkleinerung, Papiersorten. Die „Wirklichkeit“ hat also einige Veränderungsprozesse hinter sich. Vielleicht waren die Photographien in den Alben unserer Väter und Großväter ehrlicher: die erkennbare Kulisse, die Künstlichkeit der Pose, der Komposition des Arrangements war humaner als der Schnappschuß. Im Wort Schnappschuß sind zwei Gewaltverben, schießen und zuschnappen, vereint. Wenn technisch perfektes Photographieren in jedermanns Hand gegeben ist, ist Orwells Großer Bruder ja fast allgegenwärtig. Überall Augen: künstliche, magische Augen, die Ölheizungen und Garagentore, Produktion und Passage kontrollieren. Täglich werden Photos um Photos gemacht und verschlungen, bewegte, unbewegte, ein großer Ausverkauf, der auf Kosten des menschlichen Auges geht, in einem doppelten Sinn, auf Kosten seiner Fähigkeit zu sehen und seiner Humanität. Als Erinnerungsstück ins Album geklebt, mag’s in einigen Jahren Rührung hervorrufen, festgehaltene Augenblicke: Geburt, Hochzeit, Tod. Es gibt Augenblicke, in denen auf einer Photographie der Sinn einer Landschaft, ihr Atem spürbar wird, ein Porträtierter „erkannt“ wird oder der geschichtliche Augenblick vors Objektiv kommt: ein Kind in Uniform, Frauen, die auf dem Schlachtfeld nach ihren Toten suchen; wo Weinen mehr als privat, das Weinen der Menschheit ist. Da werden nicht Geheimnisse verraten, das Geheimnisvolle der menschlichen Existenz wird sichtbar. Es ist nicht sensationell, verdient kein Aufsehen oder Aufhebens, wenn ein professioneller Tunichtgut die jeweilige Sitte oder jeweilige Scham verletzt. Sensationell ist der kleine Chinesenjunge, der sich mit ungeheurem Ernst über die Blechbüchse beugt, aus der er seinen Reis ißt. Die Exotik des Menschlichen liegt nicht im nationalen oder rassischen Unterschied, sie liegt im sozialen Unterschied. Die humane Kamera wird entdecken, daß die Menschen nicht überall gleich, sondern überall Menschen sind, deren Menschwerdung gerade erst begonnen hat. Der Sinn dieser Ausstellung könnte darin liegen, Nachdenklichkeit gegenüber dem Photographieren zu erwecken. Ob ertappt, entlarvt, denunziert werden soll, ob die Kamera das Auge des Großen Bruders ist, oder ob hinter dem Objektiv ein Mensch steht, dessen Menschwerdung schon begonnen hat, der das Geheimnis respektiert, wenn er das Geheimnisvolle sichtbar machen will. Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Rica Geschrieben 3. September 2017 Share #6 Geschrieben 3. September 2017 Ja, das ist mein Thema. Da die Reputation eines H.Böll deutlich gewichtiger ist als meine, stelle ich mal lediglich den Artikel und somit das Zitat vor. Von Heinrich Böll Es gibt Augenblicke, in denen auf einer Photographie der Sinn einer Landschaft, ihr Atem spürbar wird, ein Porträtierter „erkannt“ wird oder der geschichtliche Augenblick vors Objektiv kommt: ein Kind in Uniform, Frauen, die auf dem Schlachtfeld nach ihren Toten suchen; wo Weinen mehr als privat, das Weinen der Menschheit ist. Da werden nicht Geheimnisse verraten, das Geheimnisvolle der menschlichen Existenz wird sichtbar. Es ist nicht sensationell, verdient kein Aufsehen oder Aufhebens, wenn ein professioneller Tunichtgut die jeweilige Sitte oder jeweilige Scham verletzt. Sensationell ist der kleine Chinesenjunge, der sich mit ungeheurem Ernst über die Blechbüchse beugt, aus der er seinen Reis ißt. Die Exotik des Menschlichen liegt nicht im nationalen oder rassischen Unterschied, sie liegt im sozialen Unterschied. Die humane Kamera wird entdecken, daß die Menschen nicht überall gleich, sondern überall Menschen sind, deren Menschwerdung gerade erst begonnen hat. Ich finde hier realtiviert sich das obige Zitat etwas, da er auch das Weinen eines Menschen - also ein gebrechlicher Moment, wenn er in einem größeren Zusammenhang gezeigt, von ihm als trotzdem noch geheimnissvoll in einem größeren Zusammenhang angesehen wird. Das ist für mich dann die Gratwanderung bei der beschriebenen Moral, oder Ablichtung des Menschen. Das obige Zitat für sich alleine gesehen, kann man jetzt nicht mehr so einfach als Moralkeule nutzen. Ich denke nicht, dass Böll glücklich darüber gewesen wäre, auf deine Meinung zu dem Thema verzichten zu müssen, weil du ihn in seiner Glaubwürdigkeit so hoch einordnest. Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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