Pontati Geschrieben 26. Oktober 2015 Share #1 Geschrieben 26. Oktober 2015 Werbung (verschwindet nach Registrierung) Servus und sorry - bisserl lang: Vor ca. 15 Jahren stellten Arbeiter Kleinmöbel, Haushaltskram und ein paar Kartons auf die Straße für die Leute zum Mitnehmen. Da ich mit dem Auto unterwegs war und ich ein Faible für alte Kleinigkeiten habe, nahm ich einen alten Servierwagen mit, der mir seither gute Dienste leistet. Außer mir waren noch andere Leute am Rumkramen und da entdeckte ich einen großen Karton mit alten Fotoalben, vielen kleinen SW-Fotos, Dias und einen dünnen Hefter mit persönlichen Unterlagen eines alten Fräuleins. Da es regnete, lud ich den Karton kurzerhand ins Auto. Es tat mir weh, dass da jemand das Leben eines verstorbenen Menschen einfach auf die Straße gestellt hatte. Bei der Durchsicht der Unterlagen fand ich Feldpostbriefe und Fotos eines Soldaten, zu dem sie offenbar den Kontakt verlor. Sie hatte nie geheiratet, lebte in diesem Mietshaus mit ihren Eltern und starb dort auch irgendwann Ende der 90er. Nach vier Umzügen habe ich die letzten Tage damit verbracht, ihr einen Raum zu geben. Ich habe die Briefe und einen Teil ihrer Fotos in einen großen Kartonkubus geklebt, dazu ein kleines Samtkissen genäht und daran Dinge wie Tagebuchschlüssel, eine Perle und einen Ring befestigt, die ebenfalls in der Kiste waren. Der Kubus ist wie ein Lampenschirm aufgehängt und um die Fotos anzuschauen und die Briefe zu lesen, muss man von unten mit dem Kopf eintauchen. Also eine Installation. Ist das okay, diese Arbeit auszustellen? Ich bin zwar nicht mit ihr verwandt, habe jedoch eine Beziehung zu ihr und ihrem Schicksal aufgebaut - und benutze es aber jetzt für meine Arbeit. LG Pontati Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Anzeige Geschrieben 26. Oktober 2015 Geschrieben 26. Oktober 2015 Hallo Pontati, schau mal hier Moralische Frage . Dort wird jeder fündig!
Pere Geschrieben 26. Oktober 2015 Share #2 Geschrieben 26. Oktober 2015 Hast Du versucht, Verwandte ausfindig zu machen? Die würden sich sicher über Fotos und Briefe freuen und Du bekämst die Gelegeheit zu interessanten Gesprächen. Das wäre mein erster Ansatz, bevor ich derart persönliche Dokumente veröffentliche. Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Pontati Geschrieben 26. Oktober 2015 Autor Share #3 Geschrieben 26. Oktober 2015 Ich bin hoch in den ersten Stock und habe einen der Arbeiter gefragt. Er sagte in gebrochenem Deutsch: "Leute Erbe gut Sachen verkauft, anderes nix gut. Ist unten alles wegschmeißen." Ich habe auch schon versucht, über den Soldaten was herauszufinden, aber ohne Geburtsdatum und Geburtsort ist das nicht möglich. Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Pere Geschrieben 26. Oktober 2015 Share #4 Geschrieben 26. Oktober 2015 Keine Ahnung, wie das juristisch ist. Wenn die Erben keinen Wert darauf gelegt haben und Du sonst niemanden ausfindig machen konntest, finde ich es nicht verwerflich, wenn das in einem angemessenen Rahmen präsentiert wird. Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
mjh Geschrieben 27. Oktober 2015 Share #5 Geschrieben 27. Oktober 2015 Offenbar gibt es ja sonst niemanden, der auf diese Erinnerungsstücke noch Wert legt. Wenn man auf diese Weise am Schicksal eines fremden Menschen Anteil nehmen kann und die Erinnerungen an diesen, weltgeschichtlich unbedeutenden Menschen wachgehalten werden, ist das doch eine gute Sache. Die Lebenszeugnisse der allermeisten von uns werden irgendwann verschwinden und es wird sich niemand mehr an uns erinnern. Mir fällt da ein Film von Peter Greenaway ein, für den er die Aufzeichnungen einer Pariser Dienststelle auswertete, die um 1800 herum für einige Jahre alle aus der Seine gefischten Leichen dokumentiert hatte – Name und Alter des Toten, Todesursache und -umstände, wer den Toten identifiziert hatte und so weiter. Diese Geschichten wurden in Greenaways typisch artifizieller Art nachgespielt. Am Ende des Films stand ein Kommentar ungefähr des Inhalts, dass von den Menschen, von denen hier berichtet wurde, kaum mehr als die Akten erhalten geblieben seien, die ihren Tod dokumentierten; nur durch diese – und nun eben durch Greenaways Film – würde die Erinnerung an sie wachgehalten. Wer aber, ging der Kommentar weiter, wird sich einst an die Schauspieler erinnern, die die Opfer der Seine im Film gespielt haben? Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Pontati Geschrieben 27. Oktober 2015 Autor Share #6 Geschrieben 27. Oktober 2015 Danke Euch! Mir hilft das wirklich weiter. Den Greenaway-Film werde ich ausfindig machen und mir ansehen. Es ist einfach so traurig, auf den Fotos ihre Veränderung zu sehen. Vom jungen und hoffnungsvollen Blick in die Kamera bis zum abgewandten, vermeintlich beschäftigten Schauen am Kaffeetisch. Kein Lächeln mehr, sondern so eine schleichende Verbitterung. Irgendwo habe ich mal den Spruch gehört: "Am Grab der meisten Menschen trauert, tief verschleiert, ihr ungelebtes Leben". Ist von Georg Jellinek und habe ich seither nie mehr vergessen. Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
zwanzignullzwei Geschrieben 27. Oktober 2015 Share #7 Geschrieben 27. Oktober 2015 Werbung (verschwindet nach Registrierung) Klingt sehr persönlich und interessant, in welchem Rahmen findet die Ausstellung statt? Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Hef Geschrieben 27. Oktober 2015 Share #8 Geschrieben 27. Oktober 2015 Wenn Du Feldpostbriefe hast, wirst Du vermutlich auch neben dem Namen des Soldaten auch die Feldpostnummer kennen. Ggfs. auch noch weitere Angaben. Damit lohnt sich eine Anfrage nach dem Soldaten bei der WAST: https://www.dd-wast.de/de/antrag-stellen/anfragen.html LG Hef Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Pontati Geschrieben 27. Oktober 2015 Autor Share #9 Geschrieben 27. Oktober 2015 Das ist ein Projekt, an dem ich zusammen mit einer Freundin arbeite. Thema "Vater-Mutter-Kind". Doch zuerst bewerbe ich mich um ein Atelier damit ... muss ständig in meiner DG-Wohnung umräumen. @ Hef: Habe nur die Feldpostnummer und den Namen, aber bei WAST brauchen sie Geburtsdatum mit Geburtsort. Ich versuche es aber noch über das Wehrmachtsforum - die haben mir bereits mit einem Foto meines Vaters geholfen. Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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